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--- Kolonialzeit Deutsch-Südwestafrika (http://www.banknotesworld.com/thread.php?threadid=13114)


Geschrieben von s.oli am 13.06.2016 um 17:26:

  Kolonialzeit Deutsch-Südwestafrika

Hallo.

ich hatte es geahnt, dass nun entsprechende Vorwürfe zurückgereicht werden. Dennoch hat es meiner Meinung nach gedauert bis das kollektive Gedächtnis etwas fand. Und wie immer wird aus dem gesamten Spektrum nur eine Wellenlänge analysiert, eben wie Farbenblinde.

Oli

(ausgelagert aus Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika, da das mit Fahrscheinen eher weniger zu tun hat -- androl)



Geschrieben von papazwo am 14.06.2016 um 08:05:

  RE: Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika

Hallo Oli,

das mit der selektiven Wahrnehmung ist nun mal Menschlich. Ich glaube keiner von uns kann sich davon freisprechen. Egal ob es bei einem Verkehrsunfall, Ärger mit der Ehefrau oder mit der eigenen Geschichte geht, jeder nimmt das am deutlichsten Wahr was Ihn am meisten betrifft. Um so wichtiger ist es das man die Gesamtsituation versucht zu analysieren und für alle Parteien verständlich darzustellen.

Ich beschäftige mich ja schon lange mit der von Dir angesprochenen Frage der Kolonialverbrechen. Auch habe ich schon mehrfach einige der ehemaligen Kolonien bereist um mir ein persönliches Bild zu machen. Natürlich ist die seinerzeitige Vorgehensweise im Fall der Herero, aber natürlich auch anderer "Disziplinierungsmaßnahmen" durch die Schutztruppe, aus heutiger Sicht völlig inakzeptabel. Ich denke aber man muss das Ganze im Zusammenhang mit der Zeit sehen. Um 1900 gab es in Teilen Ostpreussen, Schlesiens usw. bei Großgrundbesitzern faktisch noch Leibeigenschaft, in der Schule war die Prügelstrafe an der Tagesordnung und im Militär wurde noch die Todesstrafe für, aus heutiger Sicht, kleinere Vergehen vollzogen. Und das war keineswegs nur bei den Deutschen so. Die militärischen Führer der Zeit waren alle Mitte des 19th Jahrhunderts geboren und mit den soldatischen Idealen des "Alten Fritz" erzogen worden. D.h. militärische Härte gegen alles was sich nicht der gegebenen Ordnung unterwarf. Das die Ereignisse in den Kolonien aber auch zu einem Nachdenken führte ist auch klar. Dies führte u.a. dazu, dass v. Trotha für seinen "Vernichtungsbefehl" gegen die Herero, 1905 seinen Rücktritt beim Kaiser einreichen musste. Es gab also auch seinerzeit schon scharfe Kritik gegen das überharte Vorgehen v. Trothas.
Zeitgleich wurde mit den "Befriedungsaktionen" seiner Zeit aber auch erreicht, dass die seit Jahrhunderten bestehenden Fehden zwischen einzelnen Volksstämmen aufhörten. Man muss nicht glauben das die Eingeborenen vor der deutschen Zeit dort friedlich zusammen gelebt haben.
Ich bereite gerade meine Reise an die Ostküste von Tansania vor. Bis zum Eintreffen der Deutschen war die Gegend ein Schwerpunkt des Sklavenhandels. Es gab regelrechte Raubzüge von der Küste ins Landesinnere. Und zwar von Schwarzen gegen Schwarze! Die seit Jahrhunderten dabei begangenen Menschenrechtsverletzung sind nur mangels Aufzeichnungen nicht so bekannt.
Das soll natürlich keine Entschuldigung für das Vorgehen von deutscher Seite sein, zeigt aber, dass die Zeit von der Durchsetzung des Gewaltmonopols geprägt war. Da waren die Deutschen nicht besser und auch nicht schlechte als andere.
Schlägt man den Bogen in die heutige Zeit, muss man feststellen, dass sich in großen Teilen Afrikas nicht viel geändert hat. Zwar sind die Kolonialherren nicht mehr da, dafür kommen die alten Stammesfehden wieder durch. Sei es im Tschad, Somalia, Kongo oder Burundi. Hutu und Tutzi sind die Stichworte.
Und wie schwer es ist dagegen etwas zu tun sieht man Heute. Ein Blick in die Nachrichten des Tages reicht. Seinerzeit wusste man sich nicht anders als durch einen "Vernichtungsbefehl" zu helfen.



Geschrieben von cat$man$ am 14.06.2016 um 14:18:

  RE: Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika

Vielleicht liegt das auch daran, dass die 50-100.000 Herero der Kolonialzeit im Schatten der 6.000.000 Juden des 2. Weltkrieges stehen.



Geschrieben von papazwo am 14.06.2016 um 15:27:

  RE: Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika

Was liegt daran?


Zitat:
Original von cat$man$
Vielleicht liegt das auch daran, dass die 50-100.000 Herero der Kolonialzeit im Schatten der 6.000.000 Juden des 2. Weltkrieges stehen.



Geschrieben von androl am 14.06.2016 um 15:45:

  RE: Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika

Zitat:
Original von cat$man$
Vielleicht liegt das auch daran, dass die 50-100.000 Herero der Kolonialzeit im Schatten der 6.000.000 Juden des 2. Weltkrieges stehen.

Ich dachte ja eher, Deutschland hätte in den letzten Jahrzehnten alle Vorkommnisse des 20. Jahrhunderts und vorher ausführlich aufgearbeitet und sich oft genug für vergangenes Fehlverhalten entschuldigt.
Bei den Herero ist die Aufarbeitung also noch nicht abgeschlossen? Wird sicher auch bald erledigt.
Dass etwas im Schatten der deutschen Judenvernichtung steht, könnte man sicherlich eher von Vergehen anderer Länder sagen. In manchen Ländern gelten Verbrecher des 20. Jahrhunderts immer noch als Helden. Ich würde mal behaupten, bei uns kommt das nicht vor, wir sind da extrem vorsichtig.

Derzeit wird zum Beispiel in München mal wieder über Straßenumbenennungen nachgedacht. Die Von-Trotha-Straße wurde schon 2007 in Hererostraße umbenannt.
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-so-will-die-stadt-mit-belasteten-strassennamen-umgehen-1.3025870



Geschrieben von Fitti am 14.06.2016 um 16:37:

  RE: Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika

Im aktuellen Spiegel gibt es dazu einen Artikel (6 Seiten). Darin werden Völkermordthese und Vernichtungsbefehl relativiert.



Geschrieben von s.oli am 15.06.2016 um 15:48:

  RE: Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika

Zitat:
Original von Fitti
Im aktuellen Spiegel gibt es dazu einen Artikel (6 Seiten). Darin werden Völkermordthese und Vernichtungsbefehl relativiert.



Hallo ,

das ist genau das, was ich ja auch meine.
Ich habe den Eindruck, dass, egal bei welchem Thema, 90 % der Medien nur noch einseitig berichten, weil sie zu wenig schreiben. Da wird nicht mehr als die Schlagzeile abgearbeitet ohne Hintergrundinfos zu liefern, wahrscheinlich auch ohne weitere Recherche des gesamten Zusammenhangs. Quasi mit Tunnelblick unterwegs sind. Man reisst einzelne Aktionen aus den Konsens und erzeugt somit ein völlig anderes Bild.
Leider ebenso die "öffentlich Rechtlichen".
Das könnte auch einen wirtschaftlichen Grund haben, so nach dem Motto: "hier Freier Jornanalist, mach mal 64 Zeilen bis morgen Mittag, mit dem und dem Fazit. Gib 300,- EUR dafür."
Dass die Leute da nicht "Qualitätspresse" rufen ist nur logisch.
Jeder der im Web einigermaßen beweglich ist bekommt schnell umfassendere Infos. Klar man muß schon die Quellen prüfen. Aber wie das derzeit so läuft ...
Das ist keine neutrale Berichterstattung.

Oli



Geschrieben von s.oli am 15.06.2016 um 15:54:

  RE: Kolonialzeit Deutsch-Südwestafrika

Zitat:
Original von s.oli
Hallo.
ich hatte es geahnt, dass nun entsprechende Vorwürfe zurückgereicht werden. Dennoch hat es meiner Meinung nach gedauert bis das kollektive Gedächtnis etwas fand. Und wie immer wird aus dem gesamten Spektrum nur eine Wellenlänge analysiert, eben wie Farbenblinde.
Oli

(ausgelagert aus Mal was anderes aus Deutsch-Südwestafrika, da das mit Fahrscheinen eher weniger zu tun hat -- androl)



Hallo Androl,

... ich fand das Thema "Mal etwas anderes....." garnicht so daneben, insbesondere die 23 Bilder, die man dort aufrufen kann. Da gibt es auch den Bahnhof zu sehen, etc.

Oli


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